Eine Welt des Lichts
In tiefer Meditation komme ich an eine Mauer. Ich kenne diese Mauer. Ich habe sie schon vorher viele Male in der Meditation und in Wach-Visionen gesehen. Es ist eine hohe Ziegelmauer. Ich weiß, was auf der anderen Seite der Mauer ist: eine Welt des Lichts. Aber da gibt es keinen Durchgang, kein Tor, keine Leiter, auch keine Lücke in der Mauer. Wenn ich an die Mauer komme, gehe ich an ihr entlang, und dann muss ich wieder umkehren, zurück zu den engen Straßen dieser Welt. Manchmal habe ich mich angestrengt und bin hochgeklettert und habe über die Mauer geschaut. Oder ich habe einfach gefühlt, was drüben ist – endlose Räume des Lichts und die Wesen des Lichts, die dort leben. Und doch musste ich immer wieder zurückkommen, zurück in diese Welt, die so eng und so voller Schatten ist, zurück in dieses Zwielicht unserer Existenz.
Im Sommer 2008 habe ich dann drei Wochen auf der anderen Seite, in dieser Welt des Lichts, verbracht. Es war eine verrückte Zeit. Ich war sehr krank und habe fast gar nicht geschlafen. Sobald ich im Bett lag und die Augen schloss, war ich in der Welt des Lichts. Ich brauchte gar nicht zu schlafen, und es war mir auch gar nicht möglich. Da war so viel Licht, Licht über Licht. Auch tagsüber war ich manchmal völlig wach in dieser Welt des Lichts. Ich konnte unsere Welt von der anderen Seite sehen, ihre Formen der Liebe, ihre Hoffnungen und Träume, ihre gesellschaftlichen Machtstrukturen und ihre Orte des Gebets. Ich konnte die spirituelle Essenz von jedem Baum und jeder Blume sehen und die Muster der Dunkelheit, in denen die Menschen gefangen sind. Und ich sah die Lichtwesen, die auf uns warten und uns helfen wollen, und sah, wie sehr wir sie vergessen haben. Ich sah die klebrige Substanz des Vergessens, die uns überzieht und jegliche Erinnerung, die wir vielleicht noch haben, dahinschwinden lässt. Ich sah, wie andere Wesen der Dunkelheit, die zu dieser Welt gehören, uns ebenfalls unser Licht abziehen, uns gefangen halten und uns mit Gier und Verlangen, Hass und Wut umspinnen. Und ich sah, dass das so ist, wie es ist.
Doch ich konnte nicht für immer in dieser Welt des Lichts leben, auch wenn ich es so sehr ersehnte. Es war zu viel Licht. Es brannte sich in mein Bewusstsein ein. Es ließ mich nicht schlafen. Ich war erschöpft. Ich musste in der Lage sein, in dieser Welt zu leben, auch wenn sie so dicht und verzerrt ist. Und um zu überleben und zu leben, habe ich mich von der Welt des Lichts abgewandt. Ich habe mein Bewusstsein von ihr zurückgezogen und mich auf die physische Welt und die Heilung meines Körpers konzentriert. Wochenlang habe ich kaum gebetet oder meditiert. Ich habe an meinem Haus gearbeitet, mich auf die Wände, Türen, Decken, die ich strich, fokussiert anstatt auf endlose Horizonte des Lichts. Ich bin zerschlagen und zerschunden in diese Welt zurückgekehrt, und zu manchen Zeiten war ich voller Groll darüber, dass ich das Licht zurücklassen musste, spürte Wut, fühlte mich im Stich gelassen, betrogen, weil ich wieder hier sein musste. Wie konnte mir ein Geschmack vom Jenseits gewährt werden, um mich dann wieder in die Dunkelheit und Begrenzung dieser Welt mit all ihren Verzerrungen und Missverständnissen zurückzustoßen, in all dieses Zeug, das uns beigebracht wurde, Leben zu nennen? Ja, es gibt Schönheit hier, aber es ist auch so viel Dunkelheit da. Auf der anderen Seite gibt es diese Dunkelheit nicht oder diese Dichte; da gibt es niemals dieses Vergessen. Wir sind Lichtwesen. Wie können wir das vergessen?
Bereits einmal, ich war damals dreiundzwanzig, während eines Sommers intensiver innerer Erfahrungen, bin ich auf die andere Seite genommen und vor die Wahl gestellt worden, zu leben oder zu sterben. Ich erinnere mich so lebhaft an diese Erfahrung: wie ich aus meinem Körper geholt und hoch hinauf zu einem Ort der Freiheit und des Lichts gebracht wurde. Mir wurde dann sehr klar gesagt: „Du bist jetzt frei. Du kannst gehen.“ Und genauso deutlich erinnere ich mich an meine Antwort: „Ich bin ein Sufi. Ich bin hier, um zu dienen.“ Und so kehrte ich zurück. Man vergisst nie die Erfahrung von der anderen Seite. Sie verfolgt einen, einerseits als Verheißung andererseits als Gift. Manchmal wünscht man sich den Tod herbei, damit man zu dem Licht und der Freiheit zurückkann, die, wie man weiß, dort auf einen warten. Aber ich hatte aus meinem freien Willen heraus ein Gelübde abgelegt, ein Versprechen, und so kehrte ich zurück, und die wirkliche spirituelle Schulung begann.
Und jetzt, über dreißig Jahre später, bin ich wieder auf die andere Seite gebracht worden und diesmal nicht für einen Augenblick in und außerhalb der Zeit. Zuerst hatte ich eine innere Erfahrung, die wie ein Vorgeschmack auf den Tod war, mit all dem Leiden, das das Sterben so oft begleitet, und dann war ich im Jenseits. Drei Wochen lang war ich in vollem Bewusstsein auf der anderen Seite. Das dort drüben ist so rein, so endlos und so unbelastet. Da sind Ozeane der Liebe und des Lichts. Und dann musste ich zurückkommen. Ich wusste, dass ich zurückkehren musste. Mein Körper und mein Verstand konnten nicht länger in dieser Welt des Lichts bestehen, und es war für mich noch nicht die Zeit gekommen, völlig zu sterben. Ich wusste das, auch wenn ich mich danach sehnte, befreit zu werden, auch wenn ich flehte und mich beklagte, wenn ich wütend war und vorwurfsvoll. Ich hatte zurückzukommen. Mein Körper und mein Verstand brauchten Heilung, weil sie solch einer Intensität von Licht ausgesetzt gewesen waren. Und das geschah dann langsam über die folgenden Wochen und Monate. Ich wollte nicht mehr hier sein. Und dennoch war ich hier, und die Welt sah auch noch so aus, wie ich sie in Erinnerung hatte. Es gab keine tiefe Erkenntnis, keine Erleuchtung. Ich war auf der anderen Seite gewesen, und nun war ich zurück, zerschlagen, zerschunden und voller Anklage. Aber ich war zurück.
Und ich fühlte mich müde. Auch als der Körper geheilt war, fühlte ich mich müde. War diese Müdigkeit nur die Folge dieser Erfahrung oder war es etwas anderes? Mir wurde allmählich klar, dass es eher eine tiefe Müdigkeit der Seele war und nicht des Körpers. So, als ob die Substanz meines innersten Wesens erschöpft war. Und ich fragte mich, wie die Seele müde sein kann, wo die Seele doch einer Welt aus Licht und Liebe angehört, wo die Seele doch Teil unseres Höheren Selbst ist, das mit Gott ist?
Dann sah ich die Ziegelmauer, und ich wusste ja, was auf der anderen Seite war. Diesmal brauchte ich nicht hochzuklettern, um darüber zu schauen. Ich kannte diese Landschaft des Lichts und wie so anders sie ist als das, was wir Leben oder Existenz nennen. Und ich war auf dieser Seite der Mauer, auf diesen engen Straßen zurückgelassen worden, wo sogar die Blumen am Straßenrand die Welt des Lichts vergessen haben. Und ich habe mich gefragt, ob es immer so gewesen ist? Ist das die Mauer, die das, was wir Leben nennen, von dem trennt, was wir als Tod bezeichnen? Ich weiß, in der Meditation kann man den Körper und den Verstand zurücklassen und ins Licht gehen, aber man muss immer wieder zurückkommen. Ist die einzige Möglichkeit, völlig im Licht zu leben, dass man die physische Welt hinter sich lässt und stirbt? Die meisten Menschen gelangen erst nach ihrem Tod oder in Nah-Tod-Erfahrungen in diese Welt des Lichts. Ist diese Mauer die Barriere, die zwischen den Welten errichtet worden ist, sozusagen der Fluss Styx der Antike?
Die Sufis schreiben darüber, dass wir eine Trennung zwischen den Welten brauchen: „siebzig Schleier aus Licht und aus Dunkelheit“ oder „der Glanz Seines Angesichts würde alles verbrennen“. Wie ich aus meiner eigenen Erfahrung weiß, ist das Licht des Göttlichen zu blendend für uns, dass wir es unmittelbar wahrnehmen können; seine Energie ist zu stark. Das ist einer der Gründe, warum das spirituelle Leben ein langsamer Prozess ist, ein allmähliches Lüften der Schleier, während man spirituelle Kraft entwickelt und immer fähiger wird, das Licht zu ertragen. Aber diese Schleier filtern das Licht. Sie sind keine Mauer, die uns davon abtrennt.
Zum ersten Mal seit ich diese Ziegelmauer gesehen hatte, wollte ich jetzt mehr wissen. Warum wurde mir sie immer so gezeigt – als eine Ziegelmauer? Kein Fluss des Vergessens, kein Schleier vor dem Licht und auch keine Regenbogenbrücke? Sie ist aus Ziegelsteinen gebaut, und Ziegel gehören zu dieser Welt. Und dann plötzlich dämmerte es mir: Die Mauer ist Stein für Stein von Menschen errichtet worden. Sie ist keine natürliche Trennung zwischen den Welten. Sie wurde absichtlich von Menschen durch deren Ideologien, Gesetze und Machtstrukturen errichtet. Die Menschheit hat absichtlich eine Trennwand zwischen der physischen Welt und der Welt des Lichts geschaffen. Und sie ist vor langer Zeit gebaut worden und hat sich als so wirksam erwiesen, dass wir sie alle akzeptieren. Inzwischen leben wir im Schatten dieser Mauer, ohne sie überhaupt noch wahrzunehmen. Uns ist auch nicht bewusst, dass uns unser ererbtes Recht auf Licht verwehrt wird. Wir sind konditioniert, die Welt der Schatten und Halbwahrheiten, die wir Leben nennen, zu akzeptieren, ohne zu merken, dass wir von der Welt des Lichts abgeschnitten sind. Das ist unser Erbe geworden. Wir haben uns erfolgreich vom Göttlichen abgesetzt.
Müdigkeit der Seele
Auf einmal verstand ich diese tiefe Müdigkeit der Seele, die Müdigkeit, die davon herrührte, in dieser vom Licht abgeschnittenen Welt zu leben, getrennt von dem, was wirklich ist. Mir wurde bewusst, wie grundlegend dieses Licht uns erhält, indem es unser wahres spirituelles Wesen nährt. In den Tiefen unseres Wesens sind wir aus Licht gemacht, sind wir Lichtwesen. Licht braucht Licht. Wir brauchen dieses Licht, damit es uns nährt, sonst hungert unsere Seele, ja, sie verhungert sogar. Ohne Licht können wir spirituell erschöpft, lustlos und depressiv werden. Unsere göttliche Natur braucht dieses innere Licht genauso, wie unser physischer Körper Nahrung und Sonne braucht.
Solange wir den Begierden des Egos nachgehen, hat die Welt eine Energie, die uns trägt. Sie ist voll von Dingen, die unsere Begierden wecken, und die instinktiven Energien des Lebens nehmen uns auf die Reise der Selbstentdeckung. Wir haben auch eine Kultur, die uns mit ständigen Attraktionen und Abhängigkeiten vereinnahmt, voller Versprechen auf Erfüllung, die uns ködern sollen, daran zu glauben, dass sie tatsächlich erfüllt werden. Aber da kommt der Moment, wo der Einzelne müde wird von dieser immerwährenden Jagd auf Befriedigung, wo die Seele uns drängt, die Reise der Umkehr anzutreten und das Licht zu entdecken, das in uns ist. Und das ist die wirkliche und fordernde Reise, die man spirituelles Leben nennt, auf der wir schrittweise Zugang zum Licht der Seele bekommen und von ihm genährt werden. Das Leben scheint sich zu verwandeln, und wir werden mehr vom Sinn der Seele gehalten und nicht mehr so von der Lust und Pein unserer Begierden. Aber wenn man genau hinschaut, wird man merken, dass etwas fehlt, und zwar in uns selbst wie auch in der Welt um uns herum. Und was fehlt ist ein bestimmtes Licht, das auch zum Leben gehört, eine bestimmte Note im Lied der Schöpfung, die vorhanden sein sollte. Und dieses Licht, diese Note, ist das tiefe Wissen, dass alles Gott angehört und Ausdruck des Göttlichen ist. Und trotz der Schönheit der Welt, trotz ihrer Schrecken haben wir dieses Wissen verloren: Diese Note ist kaum noch gegenwärtig, das Licht ist trübe geworden. Und das ist die unausgesprochene Tragödie unserer Welt.
Beginnt man sich zu fragen, wie man in einer Welt leben kann, wo diese Note nicht mehr zu hören ist, bricht auch die Verheißung innerer Erfüllung weg. Was hat überhaupt noch wirklich Bedeutung, wenn diese grundlegende Wahrheit verleugnet wird? Ich erkannte, dass diese Wahrheit in einem solchen Ausmaß verworfen wird, dass wir gar nicht mehr die Frage stellen. Wir stellen Fragen über den Zustand unserer Welt, über die Armut und die Umweltzerstörung. Aber unser Bewusstsein unterliegt einer so wirkungsvollen Zensur, dass wir die wichtigste Frage überhaupt nicht mehr stellen: Was ist mit dem Göttlichen geschehen? Wo in der Welt ist das Licht, das Gott angehört? Wenn wir wirklich über den Zustand der Welt besorgt sind, dann ist diese Frage noch viel drängender, denn nichts kann wirklich ohne dieses Licht getan werden, ohne diese Energie, diese Kraft, die von der QUELLE kommt. Doch wir sind dazu gebracht worden zu vergessen, dass dieses Licht überhaupt existiert. Die Mauer, die uns von der göttlichen Macht trennt, besteht schon so lange, dass wir gar nicht mehr fragen, was auf der anderen Seite ist. Auch erkennen wir nicht, dass es nur eine Mauer ist. Wir sind weit über unsere Vorstellung hinaus von den Machtstrukturen und Ideologien dieser Welt verraten worden, und wir sind Teil dieses Verrats. Unser Vergessen des Lichts verstärkt die Mauer, festigt ihre Ziegelsteine und den Mörtel, der sie bindet.
Tief in der Seele ist diese Erschöpfung, so als könnte die Seele der Welt selbst nicht länger die Wüste der Trennung ertragen, sich ohne das Licht nicht länger erhalten. Wie lange können wir noch so weitermachen? Können wir ohne dieses Licht für immer und ewig weitermachen?
Die Errichtung der Mauer
Ich fing an, mich zu fragen, wie die Mauer überhaupt entstanden ist. Vor langer Zeit da lebte die Menschheit in einer Welt des Lichts. Das war vielleicht, was wir das „Goldene Zeitalter“ nennen. Es kann wohl mit dem mythischen Garten Eden in der Bibel gleichgesetzt werden, als Adam und Eva nackt umhergingen, bevor „Adam sich versteckte mit seiner Frau vor dem Angesicht Gottes des Herrn (1.Buch Mose 3:8) und sie daraufhin aus dem Paradies vertrieben wurden. Damals gab es keine Mauer zwischen den Welten: Wir waren noch nicht von Gott getrennt. Wir lebten in der Gegenwart Gottes und wussten nichts von einer anderen Art zu leben. Doch dann begann die Menschheit innerhalb des jüdisch-christlichen Erbes – im Gegensatz zu indigenen Kulturen, die in Harmonie mit der Natur und ihrer spirituellen Dimension leben – ihre eigene Macht zu behaupten. Sie trennte sich von Gott und erfuhr den „Sündenfall“(1). In der Bibel ist das als das Essen von der verbotenen Frucht symbolisiert. Da der Menschheit die Gabe des freien Willens gewährt worden ist, durfte diese Überschreitung stattfinden. Uns war erlaubt, gegen das Gesetz Gottes(2) zu handeln.
Es ist wichtig zu begreifen, dass dieser erste Akt der Überschreitung eine bewusste Wahl gewesen ist. Die Bibel mag Eva zwar vorwerfen, sie habe Adam verführt, doch hinter dieser patriarchalischen Darstellung steht das Wissen von einer Wahlmöglichkeit gegen das Gesetz Gottes handeln zu können, von dem verbotenen Baum zu essen. Deshalb sind wir vertrieben worden: Wir haben gewählt, das göttliche Gesetz zu verwerfen, und diese Wahl hat sich über die Jahrtausende fortgesetzt. Die Menschheit liebte das Gefühl ihrer eigenen Macht und Unabhängigkeit und schuf eine abgetrennte, vom Ego regierte Welt.(3) Indem wir unsere Aufmerksamkeit vom Göttlichen abwandten und uns verstärkt auf unsere eigene Macht ausrichteten, fingen wir an, eine Mauer zwischen den Welten zu errichten. Allmählich schufen wir eine Welt in der das Göttliche nicht mehr gegenwärtig war. Genau dieses Leugnen des Göttlichen hat diese Mauer der Trennung erzeugt und errichtet, die uns von unserem spirituellen Erbe verbannt.
Immer wieder sind Heilige und Weise gekommen, uns an unsere göttliche Natur zu erinnern. Das Christentum mit seiner Botschaft des Opfers, der Vergebung und der Barmherzigkeit entstand durch ein Erwecken göttlicher Liebe. Durch Jesus Christus’ Leben, sein Sterben am Kreuz und seine Lehren wurden die Tore der Gnade geöffnet und Licht und Liebe strömten in die Welt. In den frühen Jahren des Christentums gab es durch die Hingabe kleiner Gruppen Gläubiger ein stetiges Ausströmen von Liebe. Doch nur zu bald begann der Mechanismus weltlicher Macht diesen Strom zu blockieren. Unter dem Vorwand, unterschiedliche christliche Glaubensformen vereinen zu wollen, wurden die Lehren, die dem Einzelnen unmittelbaren Zugang zum Göttlichen ermöglichten, wie zum Beispiel die Gnostischen Evangelien, verboten und ihre Anhänger als Ketzer verfolgt. So durfte man nur noch über die Priester und die hierarchische Struktur der Kirche Zugang zu Gott bekommen. Allmählich, aber auch systematisch, wurden, indem die Kirche weltliche Macht erlangte, religiöse Strukturen mit der Absicht geschaffen, Gott im Himmel zu halten, auf dass die kirchliche Hierarchie ihre Macht auf Erden bewahren konnte. Schließlich sehen wir in dem brutalen Gemetzel der Kreuzzüge und den Folterprozessen der Inquisition eine Kirche, die sich dazu entschieden hat, Liebe und Vergebung gegen die Früchte weltlicher Macht einzutauschen. Nicht so bekannt ist, inwieweit diese religiöse Ideologie die Trennung zwischen den Welten zementiert hat: Gott kann nur nach dem Tod erreicht werden; der Himmel kann in dieser sündigen Welt nicht existieren.
Im Westen hat seit dem Zeitalter der Aufklärung der Rationalismus und der Fortschritt in den Wissenschaften die Mauer der Trennung weiter verstärkt, indem die Welt immer mehr als ein mechanistisches Gebilde ohne jegliche heilige Natur betrachtet wurde. Die heiligen Haine waren schon lange vom Patriarchat abgeholzt worden, das Christentum hatte alles daran getan, heidnischen Glauben auszurotten, und die Wissenschaft gab uns nun eine fühllose, öde Welt, die sie mit ihrer Technologie erobern konnte. Die Mauer zwischen den Welten gehörte so selbstverständlich zum Bewusstsein der Menschen, dass wir im Westen schließlich gar nichts mehr von der Existenz der Mauer ahnten. Die Tatsache, dass die Welt unter dem Mangel des Heiligen litt, kam erst gar nicht ins kollektive Bewusstsein. Schließlich, im letzten Jahrhundert, wurden der Kommunismus und der Kapitalismus die Zwillingsdämonen der Welt, wobei beide eine Existenz priesen, die nur durch das definiert wurde, was man sehen und anfassen kann. Und als die Konsumgesellschaft triumphierte und das Glitzern ihrer Spielzeuge unsere ganze Aufmerksamkeit vereinnahmte, schien niemand zu merken, dass das Göttliche nicht gegenwärtig war. Wir haben schon so lange mit der Mauer gelebt, dass nichts mehr in unserem kollektiven Gedächtnis uns daran erinnern konnte, was wir aufgegeben haben und was so nah auf der anderen Seite der Ziegelsteine ist.
Natürlich hat es immer Einzelne gegeben, die innerhalb oder außerhalb der Strukturen der Religion bewusst die Reise auf die andere Seite gemacht haben. Die Menschheit hat immer Zugang zu spirituellen Techniken gehabt, durch die sie zum Licht gelangen konnte. Die Disziplin der Meditation, zum Beispiel, ist eine einfache Praktik, sich nach innen zu wenden und das Licht durch die höheren spirituellen Zentren zu erreichen. Hat man Zugang zu einem höheren Bewusstsein in sich selbst, gibt es keine Mauer mehr: Man ist in der Dimension von Licht über Licht gegenwärtig. Das ist das reine Bewusstsein, das durch mystische Praxis, wie die buddhistische Meditation oder das Licht des Herzens auf dem Sufi-Pfad verwirklicht wird. Das sind schöne und machtvolle Praktiken durch die man die Begrenzungen der physischen Welt überschreiten kann, während man weiter in dieser Welt bleibt. Aber der Fokus dieser Übungen ist fast immer der Aufstieg, also über die physische Welt mit ihrem Leiden und ihren Problemen hinauszugehen. Das Ergebnis ist für gewöhnlich, dass man sich von der äußeren Welt entfernt. Es ist dann leicht, losgelöst zu sein und sich nicht mehr für die Anforderungen des Alltags zu interessieren, der durch die Übungen zur Illusion geworden ist. Diese Praktiken demontieren jedoch nicht die Mauer. Stattdessen bieten sie einen Weg, über sie hinauszugehen, und gewähren einem sogar Zugang zu einem Bewusstsein, wo die Mauer nicht vorhanden ist, wo es keine Trennung zwischen den Welten gibt. Mystiker und spirituelle Reisende, die diese Erfahrungen gemacht haben, können zwar einige Leute daran erinnern, dass diese Welt des Lichts existiert und dass es einen Weg über die Mauer ins Licht gibt, doch die Mauer bleibt so fest wie zuvor, und die Welt, in der wir heute leben, bleibt weiter nach Licht dürstend zurück.
Ein Licht, damit man sieht, was wirklich ist
Obwohl es inzwischen niemand mehr erinnert, vermag das Licht mehr als uns nur zu nähren. Dieses Licht lässt uns sehen, was wirklich ist. Als es noch in dieser Welt leuchtete, offenbarte es die wahre Natur der Dinge, ihren wahren Sinn und Zweck. In diesem Licht konnten wir entsprechend unserer wahren Natur leben und die wahre Natur der anderen und der Welt um uns erkennen. Wir konnten die Welt sehen, wie sie wirklich ist – als göttliche Schöpfung von der wir Teil sind. Die so gesehene Welt, in ihrer wahren Natur, ist völlig anders als die Welt, die wir mit unseren Begierden und Projektionen, den endlosen Mustern unseres Verstandes und dem Wiederkäuen unserer Erinnerungen geschaffen haben und die wir Leben nennen. Jeder, der für einen Moment erweckt worden ist, einen kurzen Einblick bekommen hat, was bei den Zen-Meistern Satori heißt, kennt diese einfache Erfahrung der Wahrheit, wenn der Schmetterling noch als Schmetterling wahrgenommen und die Pflaume in ihrer Süße geschmeckt wird. Es ist eine Wirklichkeit ohne Vergleichen oder Gegensatz, die uns ihre wahre Natur unmittelbar kommuniziert, statt von unserem Verstand oder unserer Psyche interpretiert zu werden. In solchen Augenblicken sind wir wahrhaft lebendig, sind wir wach statt zu träumen.
Vor langer Zeit, bei Anbruch des Bewusstseins, war der Menschheit die Fähigkeit gegeben worden, die wahre Natur von allem zu erkennen und sich damit zu verbinden. Diese Fähigkeit steht im Zusammenhang mit dem Benennen der Dinge, denn alles, was von Gott erschaffen worden ist, hat einen Namen, der die jeweilige Natur verkörpert. Im Qur’an (2:31) steht geschrieben:
„Und Er lehrte Adam aller Dinge Namen“,
was bedeutet, dass Adam die innere Natur und die Eigenschaften der Dinge gelehrt wurden.(4) Und so hatte der erste Mensch Wissen über die Namen der Schöpfung, die zu den göttlichen Geheimnissen gehören: „sprach Ich nicht zu euch, Ich weiß das Verborgene der Himmel und der Erde“ (Qur’an 2:33) (5) Dieses Wissen über die innere Natur und die wahre Bestimmung der erschaffenen Welt gehört zu unserem göttlichen Erbe, unserem inneren Adam. Es ermöglicht uns, am Leben teilzuhaben, wie es wirklich ist, als eine göttliche Offenbarung, eine von Gott erschaffene Welt und nicht die vom Menschen geschaffene. Doch zu diesem Wissen können wir nur über das Licht unseres wahren Selbst gelangen. Ohne dieses göttliche Licht können wir das Buch des Lebens nicht lesen, können wir nicht erkennen, was wirklich oder was der wahre Sinn unseres Lebens ist. Heutzutage haben wir die wahren Namen der Schöpfung schon lange vergessen. Wir bleiben gefangen in den oberflächlichen Mustern der Illusionen, in unseren Projektionen und Fantasien. Das ist unser derzeitiges Dilemma.
Es gibt immer einige Menschen, denen es möglich ist, zum Licht ihres wahren Selbst zu erwachen und zu erkennen, was wirklich ist und wie die Absicht ihrer Seele gelebt werden muss. Aber für unser Kollektiv im Westen ist das ein ferner Mythos. Die meisten von uns irren, verloren in einer Welt ohne wirklichen Sinn, durchs Leben und können ihren Weg nicht finden. Es gibt zwar immer Zeichen, die zu dem, was wirklich ist, weisen, aber wir sind nicht fähig, sie zu erkennen oder sie zu lesen. So ist es für die Machtdynamiken der Welt nur zu leicht, uns zu täuschen, einzufangen und zu versklaven. Wie sollen wir ohne wahres Wissen unseren Weg aus dem Labyrinth finden, in dem wir den Herren dieser Welt dienen statt unserem wahren HERRN? Sobald wir Zugang zum wahren Licht haben, erkennen wir, wie sehr wir in die Irre geführt worden sind, wie wir unsere Seele für ein paar Silberlinge verkauft haben. Doch ohne dieses Licht wissen wir nichts über die Welt um uns herum: Wir sehen nur die Bilder, die auf Hochglanz gebracht sind. Wir sitzen eingesperrt in den Illusionen, die um uns gesponnen sind.
Zum Teil ist das der Grund, weshalb uns die Mächte dieser Welt den Zugang zum Licht verwehren und uns in den Schatten halten wollen. Ohne dieses Licht sind wir besser zu verführen und zu kontrollieren, und man kann uns leichter wertlosen Plunder verkaufen. Wir wissen nichts und sehen nichts und glauben leicht, was uns erzählt wird.
Die Mauer zerstören
Aber es bleibt die tiefere Frage: Müssen wir in den Schatten stecken bleiben, wenn das Licht doch so nah ist? Ist es unser kollektives Schicksal, von der Mauer der Trennung gefangen gehalten zu werden, die von unseren Vorfahren geschaffen und von unserem eigenen Vergessen verstärkt worden ist? Oder können wir diese Dimension des Lichts einfordern, dieses Licht, das uns befähigt, die wahre Welt um uns zu sehen, eine Welt der Schönheit und Wunder, die Gott angehört, wo die Freude zurückgekehrt ist und in der wir nicht mehr die Umwelt mit unseren unhaltbaren Begierden verschmutzen?
Wie kann die Mauer zerstört werden? Wenn ich die Mauer betrachte, erkenne ich keine Anzeichen von irgendeinem Versuch, sie zu durchbrechen. Da gibt es keinen Hinweis auf eine wirkliche Rebellion. Da gibt es keine Truppen von Saboteuren, die die Mauer attackieren oder wenigstens Leitern anlegen. Ihre Ziegel sind glatt und unberührt. Wir scheinen die Mauer fraglos akzeptiert zu haben. Sie ist hoch genug, dass wir nicht auf die andere Seite hinüberöberschauen können. Sie ist schon so lange da und so vertraut, dass wir sie nicht einmal bemerken. Wer ist da, sie infrage zu stellen? Haben wir den Willen oder die Kraft, diese Barriere vor dem Licht zu zerstören? Wir sind so verführt und eingelullt von dem Spielzeug dieser Welt, dass wir gar nicht auf die Idee kommen, dass uns etwas vorenthalten wird.
Und doch schreien unsere Seele und die Seele der Welt nach dem Licht. Ohne das Licht können wir unsere sterbende Welt nicht heilen, nicht erläsen; das Heilige und die Erinnerung an die Namen können nicht zurückkehren. Nur mit dem Licht kann sich wahrer Sinn wieder zeigen.
Leonard Cohen schrieb einmal: „Es gibt einen Spalt in allem, durch den das Licht hineinkommt”. Vielleicht brauchen wir nur einen Spalt in der Mauer zu schaffen, durch den das Licht anfangen kann einzuströmen. In unserer kollektiven Abwehr hat es viele Male schon Spalten gegeben, wie zum Beispiel die „Flower-Power”—Bewegung der 1970 ziger Jahre mit ihrer Vision von Frieden und Liebe. Doch diese Vorboten des Lichts sind offenbar nicht von langem Bestand. Sie zerstören sich selber, zum Beispiel durch Drogen zugrunde gerichtet, oder sie werden wieder vom Kollektiv als Folge ihres Ausverkaufs an materialistische Werte verschluckt. Traurigerweise ist vieles von der New-Age-Spiritualität, die das Licht und die Praktiken spiritueller Traditionen aus dem Osten brachten, bald korrumpiert und selbstsüchtig genutzt worden, indem die Energie des Lichts zum Geldgewinn und zur Wunschbefriedigung herhalten sollte. Die Mächte der Dunkelheit kennen unsere Schwächen nur zu gut, und die Spalten werden rasch zugemauert, bevor genug Licht durchkommen kann, um einen wirklichen Unterschied zu bewirken.Vielleicht ist ein Spalt in der Mauer nicht genug.
Wenn die Erde selbst doch dieses Licht braucht, kann sie dann nicht rebellieren?(6) Können die Urgewalten, die in der Schöpfung sind, nicht erwachen und zerstören, was Menschenhand geschaffen hat? Das ist eine Möglichkeit, auch wenn das sehr destruktiv wäre. Wir mögen die Drachen-Kräfte der Schöpfung, die archetypischen Energien, die allem Leben zugrunde liegen, geleugnet und vergessen haben, doch das heißt nicht, dass es sie nicht mehr gibt. Die meisten schlafen, doch das heißt nicht, dass sie nicht erwachen und wie die Götter alter Zeiten mit Macht und Gewalt reagieren können. Der Zorn der Götter ist nicht nur ein Mythos.
Was wäre, wenn die Energien der Erde ihre Verbindung zum Licht wieder einfordern würden? Wie viel von der Menschheit und ihren Bildern der Zivilisation würden in diesem Prozess, die Mauer der Trennung zu zerstören, vernichtet werden? Das Licht könnte zurückkehren, aber wer wäre noch hier, um es willkommen zu heißen? Wer wäre noch hier, die Namen der Schöpfung zu erinnern und die heiligen Wege, mit dem Licht zu arbeiten? Die derzeitige Beschleunigung unseres ökologischen Ungleichgewichts könnten Anzeichen dafür sein, dass die Welt es leid ist, auf den nächsten Schritt der Menschheit zu warten. Wir erkennen inzwischen zwar, dass es eine globale ökologische Krise gibt, aber wer, abgesehen von ein paar Schamanen, weiß, in welcher Beziehung das zu den Kräften innerhalb der Schöpfung steht? Unsere wissenschaftlichen Modelle sind weit davon entfernt, das, was zu den Tiefen gehört, zu verstehen und zu erkennen, wie das mit unserem äußerlichen Leben interagieren könnte. Meist bleiben wir in unserer Unwissenheit arrogant, und doch ist jetzt im Kollektiv eine tiefe Angst zu spüren, die uns eine andere Geschichte erzählt, so, als wüsste das Kollektiv, dass ein Sturm naht, einer, auf den sich seine Politiker nicht vorbereiten können.
Dann gibt es noch eine andere Möglichkeit, viel wundervoller und Ehrfurcht einflößender als alles, was wir uns vorstellen können. Was wäre, würde die Mauer von der anderen Seite zerstört, von der Energie des Lichts selber und von den Wesen, die dem Licht dienen? Die Welt des Lichts ist machtvoller als alles hier in dieser Welt. Das ist einer der Gründe dafür, weshalb das Licht vor uns verhüllt worden ist—es würde uns mit seiner Macht und seinem Glanz sonst leicht überwältigen. Jeder, der dem Licht begegnet ist, weiß das: wie ein paar Momente dieses Lichts alles sind, was wir ertragen können, wie nur ein kurzer Einblick das Leben für immer verändern kann. Und dabei ist das nur ein Partikel der Welt des Lichts. Würden die Mächte des Lichts in diese Welt zurückkehren, wäre das, als trete man aus einem stockdunklen Raum in strahlendes Sonnenlicht—blendend und schön.
Da ich in dieser Welt des Lichts gelebt habe, kenne ich ihre Schönheit und Macht, ihre Einfachheit und Liebe. Das ist eine Dimension der Klarheit, ohne die Verzerrungen und Verwirrungen unserer Welt. Und sie wird unmittelbar vom göttlichen Willen und göttlichen Gesetz gelenkt, ohne die Einmischungen des menschlichen Willens mit all seinen Fehlern und Machtdynamiken. Die Sufis nennen diese Dimension „Welt des Göttlichen Befehls” ('âlam al-amr) im Gegensatz zur „Welt der Schöpfung ('âlam al-khalaq), die wir durch unsere Sinne und die Schleier des Egos erfahren. In der Welt des Göttlichen Befehls verneigt sich alles vor Gott. Das ist die Sphäre der Engel und anderer Lichtwesen, die sich nur vor Gott verneigen und nur Gottes Macht und göttlichen Willen ausführen können.
Was würde geschehen, wenn die Macht des Lichts und die Ausführung des göttlichen Willens direkt in unsere Welt mit all ihren Dramen weltlicher Macht und Fantasien von Selbstherrlichkeit zurückkehren würden? Wie würden wir reagieren? Wüssten wir, wie man sich vor dieser Herrlichkeit verneigt, oder würden wir rebellieren und kämpfen und versuchen, an unseren Vorstellungen von Eigenmacht festzuhalten und uns in eine Schlacht zwischen Licht und Dunkelheit hineinziehen lassen? Würde ein tief inneres Wissen von der Wirklichkeit des göttlichen Willens in unserem kollektiven Bewusstsein aufsteigen, oder würden wir in dieser Macht nur einen weiteren Aggressor sehen, den es zu bekämpfen gilt, damit wir unsere Unabhängigkeit behalten? Wissen wir überhaupt, wie man sich vor Gott und den Boten des Lichts verneigt, oder sind unsere Vorstellungen von persönlicher Freiheit zu wichtig?
Es ist so lange her, seit das Licht hier war, dass wir gar keine Erinnerung—nicht einmal in unserem Urzeitgedächtnis—daran haben, wie man im Licht lebt. Wir haben gelernt, wie man im Schattenreich unserer Kultur lebt, wie man manipuliert und täuscht und wie wir uns und unseren Besitz schätzen. Doch im Licht gibt es keine Manipulationen und Täuschungen. Da ist zu viel Licht. Wir werden noch einmal neu lernen müssen, wie man ehrlich und wahrhaftig, wie man aufrichtig und offen ist. Und wie man wirkliche Verantwortung übernimmt. Das ist der einzige Weg, im Licht zu leben.
Wenn es Gottes Wille ist, kann die Mauer mit Licht zerstört werden. Sie könnte sich in einem Augenblick auflösen. Aber wie soll die Menschheit das Licht ertragen, wenn sie nur Schatten kennt? Wie soll unser Bewusstsein mit einer Welt des Lichts zurechtkommen? Ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung, wie schwer es ist, dieses Licht zu halten, während man in der physischen Welt lebt. Deshalb braucht es Schleier, die das Licht durchlassen, und nicht Mauern, die es aufhalten.
Würde die Mauer fortgenommen, wäre es dann nicht leichter, wenn sie langsam aufgelöst würde, so dass das Licht allmählich in die Welt käme? Oder würden sich die Kräfte der Dunkelheit und weltlichen Macht mobilisieren, um die Mauer zu reparieren und den Zustrom des Lichts zu unterbinden? Das sind Fragen, die wir nicht beantworten können. Doch wir können anerkennen, dass es eine Welt des Lichts gibt, die nicht allein zu einem unerreichbaren Himmel oder einem hohen spirituellen Zustand gehört. Sie ist hier, direkt hinter einer Mauer, die wir aus unseren Ideologien und Mustern der Kontrolle errichtet haben. Und wir wissen tief in uns, dass die Menschheit und auch die Welt selbst nicht mehr lange ohne dieses Licht, das unmittelbar aus der QUELLE kommt, überleben können. Alles sonst ist zu verschmutzt und korrumpiert worden. Das Herz der Welt blutet, und die Seele der Menschheit schreit auf. Wir brauchen das Licht, damit wir unsere wahre Natur und die wahre Natur des Lebens erkennen. Und das Leben braucht dieses Licht, um zu heilen und sich zu wandeln, auf dass wir zusammen den nächsten Schritt in unserer Evolution tun können.
Anmerkungen
(1) Manche Kinder haben noch direkten Zugang zu dieser Welt des Lichts, bevor sie in die Begrenzungen des Bewusstseins Erwachsener kommen:
„Es gab die Zeit, da Wiese, Fluss, des Waldes Saum,
auch wenn es ungewöhnlich nicht,
was ich da konnte schaun,
gekleidet schien mir in ein Himmelslicht.
….
Der Himmel uns umgibt in Kindertagen!
Die Schatten des Gefängnisses sich langsam schließen,
sobald der Junge wächst heran …“
William Wordsworth: Hinweise zur Unsterblichkeit I 1-5 und 66-68
(2) Indigene Kulturen, die nicht gegen das Naturgesetz verstoßen, die keine Macht über die Natur haben wollen, kennen diese Spaltung zwischen Geist und Natur nicht.
(3) In der Überlieferung heißt es, dass die Menschheit „Statthalter“ Gottes sein sollte, Sein Stellvertreter hier auf Erden, statt alle Macht an sich zu reißen. Der Herrscher als „Priester-König“ verkörpert diese spirituelle Rolle als Mittler zwischen Himmel und Erde vor dem „Sündenfall“.
(4) In der Bibel im 1.Buch Mose 2:20 wurde Adam von Gott beauftragt, den Kreaturen der Schöpfung ihre Namen zu geben: „Und der Mensch gab einem jeden Vieh und Vogel unter dem Himmel und Tier auf dem Felde seinen Namen.“ Im Hebräischen heißt adam „menschlich“ und im Sufismus ist Adam der essentielle Mensch.
(5) Nach Ibn ´Arabi ist das Wissen von den Namen über die Nachfolge vollkommener Menschen übertragen worden: “Die vollkommenen Menschen erhielten ohne Unterbrechung die Namen von einem zum anderen übermittelt, bis die Namen schließlich Mohammed erreichten“ (Chittick: The Self Disclosure of God (S.154).
(6) Die Erde ist ein lebendiges spirituelles Wesen mit einer eigenen Seele, von den Alten als anima mundi bezeichnet.